Bericht 2006

Maaljooger : Jörg, Renate, Berthold, Manuela,
Ewald, Ulrike, Claudia, Detlev u. Alfred

Manchmal freut man sich ein Jahr auf etwas und kurz bevor es soweit ist, möchte man am liebsten absagen. So stand ich zwei Tage vor der Tour hinter der großen Glasschiebetür im Wohnzimmer und betrachtete die Bindfäden, die es draußen regnete. Beim letzten Telefonat mit unserem großen Messias Alfred sagte er ziemlich optimistisch, dass das, was es jetzt regnet, nicht mehr während unserer Zweiradreise aus dem Himmel fallen könne. Optimismus hin, Optimismus her, alle Wetterberichte hatten Scheißwetter vorausgesagt, nicht nur Regen, auch Kälte und Wind.
Am Donnerstag war es dann soweit, wir mussten zu unhumaner Zeit aus dem Bett, weil die auserwählte Bahnverbindung nach Osnabrück um 06.50 Uhr ab Bahnhof Sande genutzt sein sollte. Die Drahtesel hatte ich bereits am Vorabend beim jeweiligen Besitzer mit dem PKW-Anhänger meines Bruders eingesammelt. Der hatte sich nicht zum ersten Mal bereit erklärt auch seine Nachtruhe vorzeitig zu beenden, um uns und unsere Technik zum Bahnhof zu kutschieren. Für diese morgendlichen Unternehmungen hatte er uns auch schon früher mal mit seinem betagten, grün bemoosten Lieferwagen zum Bahnhof verbracht. Auch wenn nach dem Start des Motors das ganze Dorf geweckt war, trauern alle diesem sehr geräumigen aber bereits abgeschafften Transportmittel nach. Ich hatte mich jedenfalls mit der Kapazität seines jetzt genutzten Anhängers etwas verschätzt, und die Ladung von 9 Rädern war nicht ganz einfach. Glücklicherweise half Berthold, der kurz entschlossen mit mir fuhr. So klapperten wir gemeinsam die Maaljooger ab. Bei Jörg und Renate konnten wir die bereits legendäre, oft erprobte Reiseverköstigung "Tullermor Dew" testen. Alfred hatte an diesem Abend einen Internetausdruck des angeblich letzten Wetterberichtes vorzuweisen. Dieser wich jedoch sehr positiv von denen ab, die ich zuletzt gelesen hatte und war meiner Meinung nach selbst gemacht bzw. gefälscht. Wer Wetterberichte nachmacht oder fälscht oder nachgemachte oder gefälschte in Umlauf bringt ist ein Hinrichs. Um 06.30 war es am nebelumhüllten Bahnhof Sande noch recht ruhig. Um 06.31 trafen wir ein! Zwei vollbesetzte PKW, einer mit dem bereits erwähnten und überladenen Anhänger. Weitere 10 Minuten später stand die Truppe mit Gerät und Ausrüstung am Gleis der übersichtlichen Bahnimmobilie. Die Tour sollte anno 2006 von nur 9 Maaljoogern bestritten werden. Alfred, Detlef, Claudia, Jörg, Renate, Berthold, Manuela, Ulrike und ich. Vermisst wurde Linda, Hylke und Alfreds Edith. Die drei waren entschuldigt ausgefallen und lagen sicherlich noch träumend in Ihren weichen Daunen. Grund genug, um mal anzurufen und zu fragen, ob sie noch schliefen. Heutzutage hat ja jeder schnell sein Handy parat. Ich hab's bei Hylke versucht, sollte ich doch seine Pflichten als Geldeintreiber und Fahrradflicker übernehmen und hatte bereits den ersten Euro Strafgeld wegen eines Schimpfwortes eingenommen. Immer wieder erstaunlich ist die Tatsache, dass die Bahn uns in ein paar Stunden zu einem Ort bringen kann, für den unsere Truppe mehrer Tage verwendet, um die Rückreise zu bewältigen. Die Erklärung liegt hauptsächlich in den häufigen Pausen. So beginnt eine Etappe immer mit einem üppigen Frühstück. Hierfür hatten wir, in Osnabrück angekommen, direkt das Frühstücksbuffet vom bahnhofsnahen Akzent-Hotel gewählt. Das große Buffet, mit Sekt und allem "Drum und Dran", Lachs, Rührei, Schinken, Salaten, frischen Brötchen, Croissants. Ich will ja nicht übertreiben, aber 2 Stunden haben wir darauf verwendet, bevor wir überhaupt auf die Räder kamen. Beim Frühstück hatte ich noch geprahlt, dass die Tour des ersten Tages ja eigentlich in 3 Stunden zu schaffen sein sollte. Alfred hat mich nur mitleidig angeschaut. Ich wusste natürlich auch warum. Es gibt für Maaljoogertouren wiederkehrende Phänomene, die die liebenswerten Verzögerungen verursachen. Nach dem Start und den ersten 500 Metern steht der erste Teilnehmer nämlich wieder, um ein Schutzblech oder eine Bremse zu richten, die am maroden Reifen schleift und dabei ein wiederkehrendes unangenehmes Geräusch verursacht. Die Folge ist, dass dieser Zurückbleibende irgendwann von der Spitze bemerkt wird, die dann auch anhält und auf ihn wartet. Meistens fummelt dann einer der Spitzenreiter bereits nach einigen Sekunden an seinen Packtaschen herum und reicht die ersten Zwischenmalzeiten oder das erste Schnäpschen herum, die er daraus zum Vorschein brachte. Nachdem der Nachzügler die Gruppe wieder erreicht, das behobene technische Problem erläutert und seinen Part am Angebot verzehrt hat, geht es weiter. Das ganze wiederholt sich in größer werdenden Abständen auf den ersten 10 km mehrfach bis alle Räder einigermaßen zufrieden stellend laufen, alle Reifen gepumpt, die Tachometer geeicht und Packtaschen richtig befestigt sind. Dann kommen die geplanten Pausen an Sehenswürdigkeiten oder zur Mittagszeit, die notwendigen Pausen nach langen Steigungen oder schlechten Wegstrecken und die zusätzlichen ungeplanten Pausen an den wenig gut beleumundeten Pommesfritesbuden. Diese Stätten der Gastlichkeit können durchaus, wie aus dem Nichts auftauchen. Natürlich kann eine Pommesfritesbude, die mitten im Gelände vor einem Zementwerk ihr Dasein fristet, gleichzeitig an unserer Wegstrecke liegt und an einem Feiertag geöffnet hat, nur als göttliche Fügung betrachtet werden. Hier unachtend weiterfahren kann nur ein Heide, der sich vorm Zorn des beleidigten Schöpfers in Acht nehmen müsste. Gerade Zubereitungsstätten für Currywürste werden aus bestimmten Gründen gerne angefahren und für einen halbstündigen Stopp genutzt. Anschließend folgt meist ein schwerfälliger Aufbruch, der dann bereits oft nur 300 Metern weiter wieder abrupt zum stehen kommt, weil endlich die öffentliche Toilette gefunden wurde und von der kompletten Damenmannschaft genutzt werden muss. Diese Schilderungen sind zwar allgemein gehalten, beschreiben jedoch den ungefähren Ablauf der ersten Etappe und die Gründe für den immensen Zeitaufwand für ca. 50 km Fahrstrecke. Ach ja, Kaffee und Kuchen hatte ich ganz vergessen, den nahmen wir in einem schönen Restaurant bevor wir unser Hotel bezogen. Ein Edelhotel mit Schwimmbad und Sauna. Ersteres wurde sogar von Jörg und Renate benutzt. Dieser erfrischende Besuch war sicherlich der Grund dafür, dass Jörg nicht wie üblich irgendwann und mitten im Gespräch einschlief. Gleichzeitig war mir aufgefallen, dass seine auch schon spärliche Frisur beim Abendessen einen leichten Flokaticharakter angenommen hatte. Da wir mehr oder weniger plattdeutsch miteinander sprechen, kommt es häufig zu wiederkehrenden Frasen, die mittlerweile sogar Detlef können sollte. Detlef ist ein Mett-Mann (Mettmann, Kleinstadt bei Düsseldorf). Beim Abendessen wird häufig diese Feststellung zitiert: "Well de ganzen Dach et, de mach wohl wat". Die Übersetzung bedeutet nicht, dass wenn einer den ganzen Tag was tut, abends Hungrig ist. Die meisten von uns gönnen sich gerne als letztes Tagesmahl ein Steak oder Schlemmertöpfchen mit ca. drei abschließenden Aquaviten. Selten kann man sich nach solch einem Tag noch lang auf den Beinen halten. Auch das Sitzen wird zur Qual, nein das einzig Senkrechte ist dann die Waagerechte und es geht auf die wohlverdiente Lagerstätte.
Es ist kaum zu glauben, dass wir am nächsten Tag wieder Hunger haben konnten. Aber ausgeschlafen, am Freitagmorgen nach kurzem Frühstücksfernsehen und der Morgentoilette ging es zum Frühstücksbuffet. Ein guter Tag beginnt mit gutem Kaffee und frischen Brötchen. Wir hatten uns hier für 08.00 Uhr verabredet, damit wir um 09.00 Uhr aufbrechen konnten. Ein halbes Stündchen braucht man noch für das Gegenteil von Essen, die Taschen packen und runterschleppen, die Räder aus ihren Garagen kramen und beladen. Nach einem Startfoto vorm Hotel und mit kreuzendem Rasenmäher ging es los. Alfred gab die Richtung an. Jetzt möchte ich erwähnen, dass unser Anführer bisher all seine Streckenplanungen mit extrem kompliziert erstelltem Kartenmaterial dokumentierte. Das war meist ein Packen von 15-20 Blatt, alle in Klarsichthülle und im oberen Teil seiner Packtaschen verstaut. Diese wurden dann einzeln auf einem katastrophal gefertigten Kartenhalter am Lenker fixiert und regelmäßig gewechselt. Der Kartenhalter war Teils gelötet, Teils geschweißt und wahrscheinlich auch geklebt. Die Einzelteile, die hierdurch nicht beisammen blieben, wurden durch natoolive Lackfarbe gehalten. Um diesem Anblick auf solch edlem Rade ein Ende zu bereiten, hatte ich ihm das Ding auch mal aus V2A erneuert. Leider kam dieser nie zu Einsatz. Mit zweitem Akkupack versorgt, zeigt nun ein PDA mit Satellitenantenne und Navigationssoftware den Weg. Natürlich hat auch diese Errungenschaft der Elektrotechnik einige Tücken und muss besonders vor Regen geschützt werden. Hierfür diente, stolz vorgeführt, ein Gefrierbeutel mit patentiertem Tupperware-Verschluss, der seither im Haushalt seiner Frau fehlt. Problematisch wird es auch, wenn die gesamte Truppe einen schlechten, aber geplanten Weg nicht einhalten will. An diesem Nachmittag hatte ich Alfred Navigationsgerät bei einem solchem Vorfall mal aufs Display geschaut und einen wegweisenden Pfeil in entgegen gesetzter Richtung erblickt. Wenn Alfred mehr aufs Display als auf die Strasse schaut oder mit runzeliger Stirn Einfahrten mustert, die wir bereits passiert haben, kann man davon ausgehen, dass wir uns nicht auf dem richtigen Pfad bewegen. Es war auch schon im Zeitalter der Karten ratsam, nicht zu weit vorzufahren. Manchmal hatte ich bereits einen halben Kilometer Vorsprung und musste umkehren, da er statt einem glatt asphaltierten Radweg eine mullsandige Traktorspur im Acker bevorzugte. Für diese Gelegenheiten benutzt Alfred eine Trillerpfeife oder sagt zum Nächsten nur "hier müssen wir lang" was sich dann, über die nicht ganz so " Stille Post" der Gruppe, zu einem laut gerufenen "Umdrehen" wandelt. Am Ende einer Tagesetappe haben somit auch alle mehr Kilometer auf ihren Uhren als Alfred, was auch wieder zu heftigen Diskussionen beitragen kann. Da die kleinen Tachometer mittlerweile hochpräzise Messinstrumente sind, kann es nur an der Kalibrierung liegen, sagt Alfred. Man müsse hierbei das Rad schon mit seinem Gewicht belasten, um den vorgeschriebenen Umfang abzurollen. Bei der rechnerischen Methode über Durchmesser und Pi, würde die Verformung der Reifen unberücksichtigt bleiben. Das Thema schneide ich immer wieder gerne an, wenn ich neben Alfred radele und wir verstricken uns dabei in die absurdesten Theorien. Am Ende wird doch immer Alfreds Wert als offizielle gefahrene Stecke für seine Homepagestatistik akzeptiert. Neben so schönen Gesprächen, die man auf dem Rad über so vollkommen unwichtige Dinge führen kann, gibt es natürlich sehr viel zu sehen. Egal ob man durch Städte, Dörfer oder durch die Landschaft radelt, jeder sieht etwas, dass ihn interessiert oder begeistert. Jörg zum Beispiel, lebt bei jedem Reh oder Hasen auf. Auch Traktoren, die mit ihren Bauern durch die Gegend fahren sind für ihn erwähnenswert. Bei den letzten Touren ist für ihn eine weitere Sehenswürdigkeit hinzugekommen und wir müssen uns auf jede Photovoltaikanlage aufmerksam machen lassen, die die Bedachung irgendeiner Stallung ziert. Manuela und ich hatten besonderen Spaß an einer Wiese mit freilaufenden Schweinen. Zwei Säue waren ausgebrochen und sonnten sich außerhalb des Zaunes zufrieden im Straßengraben. Das eine hieß sicherlich Cabanossi, das andere Mortadella. Auf solchen Stecken werden die schönsten Flecken für die bereit erwähnten Pausen genutzt und Unruhe tritt nur auf, wenn der befahrene Landstrich in Ermangelung gastronomischer Einrichtungen den Verzehr eines frischen Alsters verhindert. Dann heißt es durchhalten bis zum Tagesziel. Für heute hatte Alfred uns das Hotel zur Wasserburg gebucht und bevor wir uns auf die Zimmer zur Pflege des Hinterteiles machten, wurde der quälende Durst gelöscht. Hierbei konnten wir bereits unser Abendmahl a la Carte erwählen und die Zubereitung für 20.00 Uhr bestimmen. Wir waren in einem sehr schönen, separat errichteten Fachwerkhaus untergebracht. Der transparent überdachte Weg zwischen Restaurante und Unterkunft war der letzte Weg des Tages, der Weg in Betts und wurde teilweise schon sehr breitbeinig beschritten.
Am nächsten Morgen, dem dritten Tag der diesjährigen Tour, ahnte noch keiner, dass es der Tag der Pannen werden würde. Oder war das mit Detlefs Rad doch am Vortag. Ich bin mir nicht mehr sicher. Wir hatten uns jedenfalls irgendwann für einen Eisbecher entschieden, ein entsprechendes Lokal auserkoren und den Besitzer mit unserem zusätzlichen Umsatz erfreut. Räder mit der schweren Taschen und Koffern sollten hieran angelehnt abgestellt werden, ermahnt uns der Messias immer. Niemals Radständer benutzen, die ihre Aufgabe durch einschieben des Vorderrades erfüllen. Aber unser Detlef hat diese Empfehlung missachtet und beim ersten Löffel aus dem Amarenabecher klapperte es aus der Richtung des Parkplatzes. Das Vorderrad ähnelte mehr einer Brezel als der bereits bekannten Acht und es wurde eine Notreparatur fällig. Mit etwas Gewalt und einem Speichenspanner konnten wir die Felge soweit richten, dass sie irgendwie durch die gelöste Bremse taumelte. Der zufriedene Italiener erklärte uns den Weg zum nächsten Fahrradladen und Einer nach dem Anderen brach in diese Richtung auf, Detlef und ich vorneweg. Eigentlich hätte der Rest der Truppe auf unsere Rückkehr warten und weitere Eisspezialitäten probieren können, doch der Besuch eines Fahrradladens ist immer allen willkommen. Kann man doch die in den Schaufenstern oder im Freien ausgestellten Velos mustern oder noch wichtiges Zubehör erstehen, die verstorbene Knopfzelle aus dem Tachometer wechseln oder die längst gewünschte Lenkertasche zur Unterbringung der wichtigsten Utensilien nachrüsten. Der Ladenbesitzer nutzte seine Mittagspause damit, den Seitenstreifen seines Straßenabschnittes zu mähen, hatte also keine Eile uns zu bedienen, was auch keinen sonderlich störte . Da jede Panne oder Montage unter Hilfestellung des kostenpflichtigen Fitzflickers Geld in die Gemeinschaftskasse bringt, war das Klappern aus Richtung Parkplatz auch ein Klingeln in der Strafgeldflasche, für die ich diesmal die Verantwortung hatte. Der Vorfall hatte uns eine Stunde aus dem Zeitplan geraubt und 6 Euro in die Kasse gebracht. Am Nachmittag war Alfred dann dran. Plattfuß am Hinterrad des großen Meister. Schimpft er doch immer über die betagten Pneus seiner Mitreisenden. Oft hat er Claudias porös wirkende Reifen gemustert, doch ich erinnere mich an keinen Plattfuß bei ihr. Die Panne wurde mit einem neuen Schlauch behoben, denn Flickereien kommen Alfred nicht in die Tüte. Der neue Schlauch hielt seine mühsam verdichtete Gasfüllung aber leider nur 500m in sich. Ein kleines, aber spitzes Steinchen, unbelastet nicht fühlbar, verbarg sich im Mantel des Reifens, wurde erst jetzt entdeckt und brachte weitere 4 Euro in die missbrauchte Getränkeflasche, die bereits seit Eh und Je als Kasse dient und jedem Havaristen unter heftigem Schütteln vorgehalten wird. Wer die Statuten kennt weiß auch, dass hörbares blähen und Schimpfwörter gegen Mitreisende geahndet werden. Diskussionen über die Qualität eines Schimpfwortes werden von der Gruppe meist konzertiert unterbunden. Bei Ganderkersee querten wir die Autobahn. Auf einer Autobahnbrücke verweilt man einige Minuten, um den rasenden Reisenden durch ihre Windschutzscheiben zuzuwinken und den extrem schellen Fahrzeugen hinterher zu schauen. Gleichzeitig ist vorher eine Steigung zu bewältigen und wenn einer für diese Pause vom Radel absteigt, gibt es auch hier eine Zwischenmahlzeit. So kam die mühsam im Hotel nachgefüllte Taschenflasche mit dem "Tullermor Dew" zum Vorschein. Für Kenner sicher ein edles Gesöff, ob einer von uns ein richtiger Kenner ist, kann ich nicht beurteilen. Jedenfalls nimmt jeder ein Schlückchen, schüttelt sich als hätte er in eine Zitrone gebissen und ruft dann laut wie lecker das Zeug doch ist. In Plattdeutsch klingt das Ganze ungefähr so: "Harri Jasses, wat lecker". Hierzu reichen die Damen meist Süßigkeiten wie Gummibären oder die Tüte mit einer Auswahl an verschiedenen Minischokoriegeln. Wenn Alfred in die Packtasche greift kann man noch mit einigen Mettenden rechnen. Beim folgenden Start geht es dann erstmal bergab und wer nicht allzu sehr bremst, kommt dem Tagesziel ohne viel treten wieder einen Kilometer näher. Bergab ist prima, bergauf unangenehm. Auch ein wiederkehrendes Thema. Meine Ulrike, die wegen Alfreds Trillerpfeife und der berühmten weiblichen Intelligenz meist hinten fährt, behauptet von einigen, sie würden vor einer Steigung bremsen anstatt doch jeden Schwung hierfür zu nutzen. Dieses sehr energiebewusste Denken hängt sicher auch damit zusammen, dass wir beide doch einigen Pfunde mehr zu transportieren haben als die Anderen obwohl unsere Packtaschen nicht größer ausfallen. Das mit den vorausfahrenden Spontanbremsern ist allerdings in schlechteren Wegstrecken fataler. So zu einem Halt verurteilt, kann nasse Füße bedeuten. Versuchte man gerade noch zwischen zwei Pfützen hindurch zu fahren, kommt in dem ausgefahrenen Weg an der höchsten Stelle zum stehen und dadurch nicht mit den Füßen an den Boden ist die ausweglose Situation geboren und man liegt samt Packtaschen halbwegs im Dreck während der verursachende Vordermann im trockenen und ebenen Gelände fragt: "Wat häst du denn". Ich wollte eigentlich nicht schon wieder von Jörg anfangen, aber ein gewisser Abstand zu gewissen Vordermännern ist sehr ratsam. Das gleiche Maleur hatte Renate mit ihrem Gatten. Sie stand mit den Füßen im Wasser und musste die Socken wechseln. In Hude erwartete uns die Klosterschänke für die letzte Übernachtung der Tour. Die Räder kamen übernacht auf die Kegelbahn und standen noch nie so warm und trocken. Auch dieses Hotel war super und die Zimmer hatten alles war das Herz begehrt. Bisher hatten wir mit dem Wetter richtiges Glück gehabt. Es war nicht allzu windig und wenn es mal regnete, saßen wir gerade im Trockenen oder hatten bereits unsere Herberge erreicht. Vor dem Abendessen hatte ich mich noch mal auf Bett geschmissen und die Nachrichten mit dem Wetterbericht geschaut. Kachelmann sprach von Winden mit der Stärke 6 aus westlicher Richtung und Regenschauern. Also gab es einen triftigen Grund sich für den nächsten Tag zu stärken. Für Abendessen und Frühstück hatte man uns in dem edlen Hause einen separaten Raum eingedeckt. Und wir waren unter uns.
Nach dem Frühstück und den üblichen Aufbruchprozederen verließ uns Berthold. Er hatte ein Taxi mit Fahrer für sein Rad bestellt. Dass am nächsten Morgen eine Auswechselung im Mannschaftsbereich stattfand, war schon früh bekannt und hatte scheinbar nichts mit der Wetterprognose für den letzten Tag zu tun. Angeblich musste Bertold an einem Bosselwettkampf teilnehmen, der ausgerechtet an diesem Wochenende stattfand und für den er sich qualifiziert hatte, was dann auch der Wahrheit entsprach. Seinen Bruder Hans-Günter hatte er zu seiner würdigen Vertretung für die restliche Strecke verpflichtet. Er kam mit dem PKW und die Fahrzeuge wurden getauscht. Schade eigentlich, kamen wir doch jetzt in die Marschgegend, die Berthold so gut kennt. Er ist bei der Firma Burmann beschäftigt und, meist mit einem Pieper auf Bereitschaft damit beauftragt, die elektrische Versorgung im Raume Weser-Ems aufrecht zu erhalten. Mit einem rot-weißen Bulli und einem Minibagger im Schlepptau zu defekten Hochspannungsleitungen unterwegs, kommt er scheinbar in die entlegensten Ecken dieser Gegend und kann davon tolle Geschichten erzählen, die ihm jetzt sicherlich wieder eingefallen wären. Ein großer Vorteil war, dass wir das überflüssige Gepäck im Kofferraum des Wagens verstauen konnten, denn ein Rad ohne Taschen und Koffer fährt wie motorisiert. Nach dem Abschied von unserem Berthold folgte nun unser Aufbruch. Alfred hatte seine Elektronik gebootet und wasserdicht in der Tupper-Topits-Kombination untergebracht. Jeder klagte noch mal kurz bei der Berührung zwischen Popo und Sattel, dann ging es in die letzte Etappe. Hans-Günter war zu seinem Einstand mit einer Flasche Schnaps ausgestattet und nach den ersten 10 Kilometern wurde beim ersten kleinen Stopp auch dieses Destillat verköstigt. Heute sollten wir uns doch etwas anstrengen müssen. Keine Bäume, die einem den frontalen Wind brechen konnten. Der angesagte Regen war jedoch nicht erwähnenswert. Vor einem Schauer hatte uns der Giebel einer großen Scheune geschützt, ein anderer wurde unter einem kleinen Vordach ausgesessen. Dem Schauer an der Schleuse in Elsfleth konnten wir uns leider nicht entziehen. An der herabgelassenen Schranke hatte Alfred noch eine langjährige Freundin getroffen, die sich rein zufällig auch auf einer Radtortour befand, dann kam es von oben und jeder legte einen Supersprint hin, als wären wir auf der Champs Elysées in den letzten Metern der Tour de France. Ziel war irgendeine Gaststätte, die uns ein Mittagessen bereiten konnte. Wir haben dann erst mal am Sitztresen einer gemütlichen Schifferspelunke eine heiße Schokolade verköstigt. Scheinbar hier ein seltenes Getränk, denn die kneipengegerbten Gesichter der scheinbar zum Inventar gehörenden Gäste haben uns misstrauisch beobachtet, uns aber trotzdem den Weg zum nächsten Imbiss verraten. Im Großen und Ganzen sind wir aber trockener und schneller als erwartet nach Rastede gekommen. Geplant war, das Reststück bis Jever mit dem Zug zu fahren und beim Bahnhofsnahen Chinesen das übliche Abschlussessen einzunehmen. Um den durchschnittlichen Brennwert unserer Nahrungsaufnahme nicht zu unterschreiten, mussten wir jedoch in Rastede, vorm besteigen des Regionalzuges noch Kaffee und Kuchen zu uns nehmen. Dann ging es gemütlich zum Bahnhof. In Jever wurden wir herzlich von Edith empfangen, ihr Gatte Alfred natürlich besonders. Der Chinese hatte für uns den großen, runden Tisch reserviert und es gab Ente, Schweinefleisch süß-sauer, Rind und Chicken mit mehr als sieben Köstlichkeiten. In der Mitte des Tisches war eine Drehscheibe montiert, die das servieren vereinfachte solange nicht zu schnell gedreht wurde. Am Ende waren alle sehr zufrieden, das Wetter war besser als von Alfred gefälscht und wir hatten wieder eine Maaljoogertour mit offiziellen 229,640 km hinter uns gebracht. Ich freue mich schon aufs nächste Mal. Aber vorher geht es zu dritt von Travemünde nach Pennemünde. WAT WIET!

© 2006
Ewald Albers
De Maaljoogers
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